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Forest Haven: Ein Besuch in der verlassenen Psychiatrie von Maryland

Ich stehe vor einem massiven, verfallenen Gebäude mitten im Wald von Laurel, Maryland. Ein leichter Nebel liegt in der Luft, und die Stille um mich herum wird nur von den entfernten Geräuschen des Waldes durchbrochen. Dies ist Forest Haven, eine einstige psychiatrische Anstalt, die nun seit über 30 Jahren dem Verfall preisgegeben ist. Es fühlt sich an, als würde der Ort selbst die schrecklichen Geschichten, die sich hier abgespielt haben, immer noch erzählen. Der Beton ist brüchig, die Fenster sind längst zerschlagen, und doch gibt es etwas Erdrückendes, das über diesem Ort liegt – eine unsichtbare Last, die die Vergangenheit nicht loslässt.


Forest Haven

Der Weg in die Dunkelheit


Als ich mich dem Eingang nähere, spüre ich ein unangenehmes Kribbeln im Nacken. Der Eingangsbereich ist weit geöffnet, als hätte er schon lange keinen Widerstand mehr leisten können. Die schweren Eisentüren liegen schief in den Angeln. Es ist schwer, sich vorzustellen, dass hier einst Menschen gelebt und gearbeitet haben, dass dieses Gebäude einst Hoffnung und Heilung versprechen sollte. Heute wirkt es eher wie eine Warnung.


Ich trete über die Schwelle und finde mich in einem langen Flur wieder, der von grauen, gefliesten Wänden umgeben ist. An einigen Stellen bröckelt der Putz ab, und überall finden sich Graffiti, Spuren von anderen Besuchern, die vor mir hier waren. Doch was mir wirklich auffällt, ist die Dunkelheit. Selbst am helllichten Tag scheinen die Fenster nicht genug Licht in diesen Ort zu lassen. Es ist, als würde Forest Haven das Licht selbst verschlingen.


Die Überreste der Vergangenheit


Während ich durch die Gänge gehe, fallen mir immer wieder Überbleibsel der früheren Nutzung ins Auge. Ein verlassener Rollstuhl steht mitten im Flur, die Räder verrostet und schief. Er sieht aus, als hätte ihn jemand hastig zurückgelassen, als ob die Person, die ihn schob, plötzlich die Flucht ergriffen hätte. An einem anderen Ort liegt eine alte Krankenakte auf dem Boden, das Papier vergilbt, die Tinte fast unlesbar. Die Namen und Diagnosen der Patienten sind noch schwach erkennbar, und ich frage mich, wer diese Menschen waren und was ihnen hier zugestoßen ist.


Eines der bedrückendsten Dinge, die ich sehe, ist eine verlassene Kinderstation. Kleine Betten stehen in Reih und Glied, manche mit rostigen Rahmen, andere nur noch Fragmente dessen, was sie einmal waren. Die Vorstellung, dass hier Kinder untergebracht waren, viele von ihnen geistig oder körperlich behindert, lässt mich frösteln. In den 1970er Jahren, so habe ich gelesen, kamen immer mehr Berichte über Misshandlungen und Vernachlässigung ans Licht. Es ist schwer, nicht daran zu denken, während ich durch die leeren, kalten Räume gehe. Wie viele von ihnen haben hier wohl gelitten?


Der erdrückende Geist des Ortes


Forest Haven fühlt sich nicht nur verlassen an – es fühlt sich lebendig an, auf eine verstörende Art und Weise. Es ist, als würden die Wände all die Schreie und das Leid der Menschen, die hier lebten, in sich tragen. Während ich durch die leeren Flure gehe, spüre ich eine erdrückende Präsenz, die mich verfolgt. Es ist keine konkrete Angst, aber eine unaufhörliche Beklemmung, als würde mich der Ort selbst beobachten. Manchmal höre ich ein leises Knarren oder das Klappern von Metall in der Ferne, was mein Herz für einen Moment schneller schlagen lässt.


Ich betrete einen Raum, der einst ein Behandlungszimmer gewesen sein muss. Ein altes, verrostetes Bettgestell steht in der Mitte des Raumes, und auf dem Boden liegen noch immer Reste von medizinischen Geräten. Ich kann nur erahnen, welche Art von Behandlungen hier stattgefunden haben. In den 1960er und 1970er Jahren war die medizinische Versorgung in Forest Haven katastrophal. Patienten wurden oft unsachgemäß behandelt, erhielten nicht die notwendige Pflege oder wurden sogar misshandelt. Der Gedanke daran, dass Menschen hier in Schmerzen lagen, vielleicht ohne je Hilfe zu bekommen, schnürt mir die Kehle zu.


Die verlassenen Erinnerungen


Ein weiteres Stockwerk tiefer stoße ich auf den Speisesaal. Lange Tafeln stehen noch immer in Reih und Glied, aber sie sind nun von Schmutz und Staub bedeckt. Ich stelle mir die Patienten vor, die hier saßen, viele von ihnen wahrscheinlich nicht in der Lage, selbstständig zu essen. Es ist bekannt, dass einige der Todesfälle in Forest Haven durch unsachgemäße Fütterung verursacht wurden. Patienten, die an ihren Mahlzeiten erstickten, weil niemand da war, der ihnen half. Die Atmosphäre hier ist bedrückend – es fühlt sich an, als würden die Wände selbst die stummen Schreie und das Leid der Vergangenheit in sich aufnehmen.


Auf meinem Weg zurück nach draußen sehe ich schließlich die alte Kapelle. Die hölzernen Bänke sind teilweise zerbrochen, und das Glas in den Fenstern ist gesplittert. Es ist schwer, sich vorzustellen, dass dieser Ort einmal Trost spenden sollte. Es gibt eine ironische Schwere darin, wie der Ort der spirituellen Heilung direkt neben den Gebäuden steht, in denen so viele Menschen leiden mussten. Die Kapelle ist still und leer, aber der Kontrast zu den düsteren Räumen der Anstalt verstärkt das Gefühl von Verlust und Verzweiflung.


Bevor ich Forest Haven verlasse, gehe ich noch einmal zurück in den Flur, durch den ich gekommen bin. Die Stimmung des Ortes hat sich nicht verändert – sie ist noch genauso beklemmend wie zu Beginn. Und doch ist es anders, nachdem ich all die Räume gesehen habe, die Geschichten gehört habe, die dieser Ort erzählt. Forest Haven ist nicht nur eine verlassene Anstalt – es ist ein Mahnmal. Ein Mahnmal dafür, was passiert, wenn Menschen vergessen werden. Wenn Systeme, die dafür geschaffen wurden, zu helfen, versagen.


Der Wind weht durch die kaputten Fenster, und ich höre das leise Rascheln von Blättern auf dem Boden. Es ist, als würde der Ort sich selbst verabschieden.

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